Essen-Mitte, St. Gertrud

Die Gertrudiskirche am Markt zu Essen entstand spätestens in der Hälfte des 11. Jahrhunderts für die außerhalb des Essener Stiftsbezirks gewachsene Siedlung; ihre ältesten baulichen Teile gehören dieser Zeit an, und im Testament der Äbtissin Theophanu (+ 1058) wird sie erstmals genannt; erst 1260 erfolgte ihre Erhebung zur Pfarrkirche unter der Äbtissin Berta von Arnsberg und die Bestellung eines eigenen Seelsorgers, den die Äbtissin dem Kreise der Kanoniker der Essener Münsterkirche entnahm. St. Gertrud erscheint im „Liber valoris“ (um 1308) als „Forensis ecclesia“. Nach einem Kirchenneubau von 1478 wurde St. Gertrud durch päpstliche Urkunde vom 19. XII. 1523 dem Kanonikerkapitel der Münsterkirche zwecks Verbesserung seiner materiellen Lage inkorporiert, nachdem die Äbtissin auf das Recht, den Pfarrer zu ernennen, verzichtet hatte. Dem nicht näher umschriebenen Sprengel von St. Gertrud gehörten außer der Stadt Essen die Bauerschaften Altenessen, Karnap und Katernberg an. Die Pfarrechte von St. St. Gertrud waren stark beschränkt zugunsten der Münsterkirche: St. Gertrud besaß keinen eigenen Friedhof und keine Pfarrschule; die Vornahme von Beerdigungen und Exequien, Taufwasserweihe, Bittprozessionen und Fronleichnamsprozession blieben dem Kanonikerkapitel der Münsterkirche vorbehalten.

Nach 1531 zeigen sich Einflüsse des Luthertums und des Täufertums sowie Kritik am Klerus in Essen. 1543 wehrte sich die Bevölkerung gegen die Übertragung der Gertrudispfarre an einen Ordensmann, vorübergehend konnte sie einen lutherischen Prediger an St. Gertrud durchsetzen. Hatte der städtische Rat in diesem Falle gegen die Bevölkerung gestanden, so ergriff er seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 aus politischen Gründen die Initiative zur Einführung des Luthertums, konnte er doch durch selbständige Bestimmung der Konfessionszugehörigkeit für die Bewohner der Stadt Essen dem Stift gegenüber den Anspruch als freie Reichsstadt erneut erheben. Seit dem 1. V. 1563 amtierte der vom Rat in Essen eingeführte evangelische Prediger Heinrich Barenbbroch neben dem katholischen Pfarrer in der Gertrudiskirche, bis dieser am 11. XI. 1563 aus der Kirche gewaltsam verdrängt wurde. Der Äbtissin Maria Klara von Spaur gelang es zwar, im Frühjahr 1628 unter dem Schutz spanischer Soldaten die beiden lutherischen Prediger auszuweisen und die Gertrudiskirche wieder für den katholischen Kult in Besitz zu nehmen, doch nach der militärischen Wende im Sommer 1629 fiel diese wieder an die Lutheraner.

Die katholische Gertrudispfarre blieb de iure weiter bestehen, wenn sich auch die Gertrudiskirche nach 1648 ununterbrochen in lutherischer Hand befand; der katholische Gottesdienst für die Pfarrangehörigen fafnd seit 1563 in der Johanniskirche, seit 1827 in der Münsterkirche statt. 1867 schied die Pfarrei St. Gertrud durch Vertrag aus dem mit der Münsterpfarre gemeinsamen Besitz an der Münsterkiriche und an St. Johann aus. Zwischen 1872 und 1875 wurde die 1875 benedizierte und am 18. VII. 1887 durch Bischof Georg Kopp von Fulda, dem späteren Fürstbischof von Breslau und Kardinal (+ 1914) konsekrierte neugotische Gertrudiskirche am Viehoferplatz gebaut, die nach ihrer 1943 erfolgten Zerstörung durch Bomben 1952 bis 1955 einen veränderten Neuaufbau und am 27. III. 1955 eine neue Konsekration erlebte.

Seit der Säkularisation 1802 bestand bezüglich des Pfarrhauses an St. Gertrud bis zur förmlichen Ablösung durch einmalige Geldzahlung (1874) eine staatliche Baulastpflicht; obwohl seitdem die Pfarrstelle von St. Gertrud keinen Anspruch auf staatliche Leistungen aus alten Rechtsverpflichtungen mehr besaß, wurde diese doch vom Erzbischof von Köln noch bis 1952 als eine geistliche Stelle streitigen Patronates angesehen, die 1924 im Einvernehmen mit dem preußischen Oberpräsidenten in Koblenz, 1952 aber nach eingeholtem Einverständnis des nordrhein-westfälischen Kultusministers in Düsseldorf besetzt wurde; eine Rechtsverpflichtung des zuständigen Oberhirten zu einem solchen Verfahren wurde aber schon seit 1866 ausdrücklich nicht mehr anerkannt, vielmehr ging das Erzbistum Köln seitdem davon aus, daß die Regierung dem Erzbischof die Besetzung der Pfarrstelle von St. Gertrud „in forma commendae“ überlassen habe. Die seit der Säkularisation vom preußischen Staat zeitweise beanspruchte Präsentation auch für die erste Kaplanstelle an St. Gertrud ist seit 1951 von der zuständigen Landesregierung in Düsseldorf nicht mehr geltend gemacht worden, da von der durch Kabinettsorder vom 17. IV. 1805 zur Dotation je eines Kaplans an St. Johann Baptist und St. Gertrud in Essen jährlich vorgesehenen Summe von je 400 Reichstalern nur noch bei St. Gertrud heute eine geringfügige Jahreskompetenz von 930 DM übriggeblieben ist. Pfarrstelle und erste Kaplanstelle an St. Gertrud sind daher nicht mehr als Staatspatronate anzusehen.

Zu den Büchern der Pfarre St. Gertrud, Essen-Mitte(Kirchenbuchportal Bistum Essen)

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